Der Mutter-Kind-Pass dient der gesundheitlichen Vorsorge von Schwangeren bzw. Mütter und Kleinkinder. Das Dokument bildet die Grundlage für Hebammen, Physiotherapeut*innen und Ärzt*innen. Petra Geyrhofer, Absolventin des Masterlehrgangs Ganzheitliche Therapie und Salutgenese, behandelte in ihrer Masterarbeit die Gewichtsentwicklung von Neugeborenen nach einem Kaiserschnitt. Sie initiierte mit ihren Ergebnissen, dass im Mutter-Kind-Pass ergänzt wurde, ob das Baby durch einen primären oder sekundären Kaiserschnitt auf die Welt kam.
Bei einer primären Sectio, das ist der Fachbegriff für einen Kaiserschnitt, wird ein Operationstermin für die Schnittentbindung geplant. Die Geburt findet daher ohne vorausgegangene geburtswirksame Wehentätigkeit, also Kontraktionen durch welche sich der Muttermund öffnet, und bei geschlossener Fruchtblase statt. Bei einer sekundären Sectio findet die Schnittentbindung nach einer geburtswirksamen Wehentätigkeit oder einem Blasensprung statt.
Der geburtswirksamen Wehentätigkeit wird sowohl in der bearbeiteten Literatur als auch in meinen Expert*innen-Interviews ein hoher Stellenwert zugemessen. Sie spielt eine Hauptrolle bei der Umstellung des Neugeborenen vom intrauterinen, das bedeutet innerhalb der Gebärmutter, zum extrauterinen Leben, also außerhalb der Gebärmutter. Die geburtswirksame Wehentätigkeit ist mit einer erhöhten Ausschüttung von Hormonen verbunden, welche auch Einfluss auf die Gewichtsentwicklung des Neugeborenen in den ersten Tagen nach der Geburt nimmt.
In meiner Masterarbeit widmete ich mich der Frage, welchen Einfluss die geburtswirksame Wehentätigkeit auf die Gewichtsentwicklung von Neugeborenen in den ersten fünf Tagen nach einem Kaiserschnitt hat. Dabei verglich ich die Daten von primären und sekundären Kaiserschnitten. Es zeigte sich, dass Neugeborene, die mithilfe von Wehentätigkeit geboren wurden, als wacher beschrieben werden, sie scheinen aktiver und zeigen einen stärkeren Saugreflex als Babys, die ohne Wehentätigkeit geboren sind. Das beeinflusst die Gewichtsentwicklung von Neugeborenen positiv.
Bei der Erarbeitung meiner Masterthesis stellte ich fest, dass in der Literatur ein Zusammenhang zwischen geburtswirksamer Wehentätigkeit und postnataler Adaptation kaum Beachtung findet. Postnatale Adaptation beschreibt den Vorgang, die einzelnen Organfunktionen an die veränderten Bedingungen für das Leben außerhalb der Gebärmutter anzupassen. Dazu gehört auch die Nahrungsaufnahme mit Stoffwechsel und Ausscheidungsfunktion. Am meisten hat mich überrascht, dass ein Gewichtsverlust des Neugeborenen nach der Geburt kaum im Zusammenhang mit der postnatalen Adaptation thematisiert wird. Ich habe daraufhin bei einer Kinderärztin und einer Physiotherapeutin nachgefragt, die reife Neugeborene mit Gedeihstörungen, das sind Verzögerungen oder Auffälligkeiten bei der körperlichen Entwicklung, betreuen, ob sie dies im Zusammenhang mit der geburtswirksamen Wehentätigkeit beobachten. Da dies nicht der Fall war habe ich mit einem praktischen Arzt die Gegebenheiten für Neugeborene nach einer Entbindung ohne geburtswirksamen Wehentätigkeit diskutiert. Nach diesem Gespräch erkannte ich, dass es wichtig wäre, im Mutter-Kind-Pass zu vermerken, ob das Neugeborene mit oder ohne geburtswirksamer Wehentätigkeit auf die Welt kam. Dazu kontaktierte ich das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, welches statistisch die primäre und sekundäre Sectio erfasst. Nach der Übermittelung und Überprüfung meiner Masterarbeit erhielt ich dann die Zusage und als Bestätigung die aktualisierte Seite aus dem Mutter-Kind-Pass.
Die Forschungsfrage war tatsächlich eine große Herausforderung. Ich wollte die Beobachtungen und Wahrnehmungen in meinem Beruf als Gesundheits- und Krankenpflegerin im wissenschaftlichen Kontext thematisieren. Ich arbeite seit mehr
als zwölf Jahren auf einer Neugeborenenstation und wollte wissen, ob es einen Unterschied gibt, zwischen Babys die mit oder ohne geburtswirksame Wehentätigkeit auf die Welt kommen.
Aus meiner Sicht hat interprofessionelles Arbeiten im Masterstudium Ganzheitliche Therapie und Salutogenese einen hohen Stellenwert. Warum? In diesem Lehrgang kommen Studierende aus verschiedenen medizinischen Berufen zusammen. Die Vortragenden sind ebenfalls aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Der multidisziplinäre Ansatz in verschiedenen Bereichen lässt erkennen, dass Salutogenese und manuelle Therapie keine Fragen der Berufsgruppe sind. Es stellt vielmehr ein Thema für jede medizinische Berufsgruppe dar, die Gesundheit fördern will.
Der Masterlehrgang Ganzheitliche Therapie und Salutogenese richtet sich an Ärzt*innen, Zahnärzt*innen, Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, Klinische Psycholog*innen, Gesundheitspsycholog*innen, Psychotherapeut*innen, Apotheker*innen, Hebammen und gehobene medizinisch-technische Dienste. Das berufsbegleitende Studium vermittelt einen fundierten Einblick in ganzheitliche Therapieformen sowie Methoden und bietet die Möglichkeit, einen individuellen Praxisschwerpunkt zu setzen. Ziel ist es, ganzheitliche Methoden in die Beratung und Therapie zu integrieren sowie Wissenschaft und Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben und zu stärken. Start des nächsten Lehrgangs ist im Oktober 2022.