Wann ist ein Master gleich Master?

Von Technik, über Soziales bis zu den Applied Life Sciences – in nahezu allen Disziplinen gibt es öffentlich finanzierte Bachelor- und darauf aufbauende Masterstudiengänge. Wer diese erfolgreich absolviert, ist zum Doktorratsstudium berechtigt. Im Gesundheitsbereich ist das anders. Für medizinisch-technische Dienste und Hebammen gibt es österreichweit keine öffentlich finanzierten Masterstudiengänge. Zuerst selbst die Ausbildung auf Masterniveau finanzieren und hoffen, dass danach ein Doktorat möglich ist, das ist derzeit Realität. Wann ein frei finanzierter Maser gleichwertig ist und inwiefern Absolvent*innen benachteiligt werden, darüber spricht Silvia Mériaux-Kratochvila, Departmentleiterin Gesundheitswissenschaften an der FH Campus Wien.

Sind ein Masterstudium und ein Masterlehrgang gleichwertig?

Frei finanzierte Masterlehrgänge mit 120 ECTS und öffentlich finanzierte Masterstudiengänge, die ebenso 120 ECTs wert sind, sind gleichwertig. Das ist bei all unseren Masterlehrgängen im Bereich  Gesundheit der Fall. Sie sollten daher auch gleich behandelt werden. Denn der Unterschied ist nicht inhaltlicher Natur, sondern liegt bloß in der Finanzierung. An der FH Campus Wien werden bei der Entwicklung aller Studienprogramme dieselben Qualitätskriterien angewandt, unabhängig davon, ob sie öffentlich oder privat finanziert werden.

Worin äußert sich dann die fehlende Gleichbehandlung?

Absolvent*innen eines Masterlehrgangs sind – anders als jene eines regulären Masterstudiums –nicht automatisch zu einem Doktoratsstudium zugelassen, auch wenn beide mit 120 ECTS bewertet sind. Die 120 ECTS im Masterstudium als Voraussetzung für das Doktoratsstudium ergeben sich daraus, dass Bachelorstudiengänge in Österreich 180 ECTS wert sind und es in Summe 300 ECTS braucht für die Zulassung zum Doktoratsstudium an einer Universität braucht.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

In Österreich gelten mehrere Verordnungen, die den Zugang von Absolvent*innen regulärer Masterstudiengänge zu Doktoratsprogrammen regelt. Aktuell sollen diese zu einer Doktoratsverordnung zusammengeführt werden. Frei finanzierte Masterlehrgänge werden sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtslage nicht explizit genannt. Die Zulassung ist zwar möglich, die Entscheidung liegt jedoch im Einzelfall bei der jeweiligen Universität. Unsere Absolvent*innen, die denselben ECTS-Workload bewältigen, werden damit rechtlich benachteiligt. Interessierte haben derzeit jedoch keine Wahl. Denn es gibt für die Gesundheitsberufe der medizinisch-technischen Dienste und Hebammen kein, auf das jeweilige Bachelorstudium aufbauendes, öffentlich finanziertes Masterstudium.

Welche Rolle spielen die Kooperationen der FH Campus Wien mit Universitäten bei der Zulassung zum Doktorratsstudium?

Wir haben sehr gute Kooperationen mit Universitäten. Sie haben einen wesentlichen Anteil daran, dass unserer Studierenden aufgrund ihrer Projekte und Arbeiten ernst genommen und nicht aus formalen Gründen abgelehnt werden. Universitätsprofessor*innen halten in unseren Masterlehrgängen Lehrveranstaltungen. Wenn Studierende diese Chance nutzen, um sich durch ausgezeichnete Leistungen hervortun, dann erleichtert das zusätzlich die Suche nach einem Betreuer bzw. einer Betreuerin und damit die Zulassung.

Wie gehen Universitäten mit Absolvent*innen der FH Campus Wien um?

Wir haben sehr positive Resonanz. Absolvent*innen unserer Masterlehrgänge Physiotherapie, Ergotherapie, Advanced Integrative Health Studies und Radiologietechnologie haben das Dokoratsstudium an der Meduni Wien, Meduni Graz oder auch im Ausland an der Universität Oslo-Fakultät für Sportwissenschaften und Physiotherapie absolviert.
Auch das Beispiel des Masterlehrgangs Biomedizinische Analytik zeigt, dass Universitäten die Gleichwertigkeit in der Praxis anerkennen, wenn die fachlichen und wissenschaftlichen Voraussetzungen im Masterlehrgang erfüllt werden. Die Absolvent*innen der Biomedizinsichen Analytik sind an einigen Universitäten zum Doktoratsstudium zugelassen: MedUni Wien, MedUni Graz, Uni Wien, Uni Salzburg, BOKU und auch ETH Zürich in Kooperation mit der MedUni Wien. Einige „unserer“ mittlerweile graduierten Doktorand*innen arbeiten heute an Universitäten für den Forschungsstandort Österreich. Einen weiteren Qualitätsbeweis liefern die zahlreichen Auszeichnungen der letzten Jahre, die unsere Absolvent*innen für ihre Masterarbeiten erhalten haben. Darauf folgten Publikationen in renommierten Journalen. Unsere Alumnis werden auch regelmäßig zu Vorträgen auf nationalen und internationalen Kongressen zugelassen.

Wäre ein Schritt in Richtung geforderter Gleichbehandlung, dieselben Zulassungsvoraussetzungen zum Master festzulegen?

Grundsätzlich ja, wobei es auch Absolvent*innen mit einem Bacheloräquivalent in Form einer dreijährigen postsekundären Ausbildung wie an den MTD-Akademien möglich sein soll, zu einem Masterstudium und anschließend zu einem Doktoratsstudium zugelassen zu werden. Diese Gesundheitsberufe sind ja erst vor zehn Jahren akademisiert worden. Absolvent*innen der früheren Ausbildungsschiene bei der Zulassung gleiche Chancen einzuräumen, ist wichtig, um eine Durchlässigkeit im Bildungssystem zu gewährleisten, das Ausbildungslevel insgesamt zu heben und die Berufsausbildungen zu harmonisieren.

Was spricht für reguläre Masterstudiengänge im Gesundheitsbereich?

Ich halte es für essentiell, staatlich finanzierte Masterstudiengänge mit klar geregelten Zugängen zu den Doktoratsprogrammen zu etablieren, um Wissenschaft und Forschung im Gesundheitsbereich voranzutreiben. Aktuell finanzieren sich Einzelpersonen Masterlehrgänge und tragen damit dazu bei, das Gesundheitssystem weiterzuentwickeln. Das ist ein Anfang, aber letztlich brauchen wir eine systematische Lösung. In vielen anderen europäischen Ländern sind Masterstudiengänge und PhD im Gesundheitsbereich schon längst State of the Art. Wenn Österreich nicht nachzieht, geht unserem Forschungsstandort der wissenschaftliche Nachwuchs verloren, der die wichtige Schnittstelle zwischen Grundlagen- und Angewandter Forschung abdeckt und für einen raschen Wissenstransfer in die Praxis sorgen kann.


Masterlehrgänge Gesundheitswissenschaften