19. Dezember 2023
Was macht einen guten Vater aus? Welche Rolle spielt er bei der Entwicklung seines Kindes? In ihrem Vortrag vergangenen Freitag präsentierte Univ.-Prof. Dr. Dr. Lieselotte Ahnert wesentliche Erkenntnisse aus der nationalen und internationalen Väterforschung und spannte dabei einen höchst interessanten Bogen von der Entstehung der Menschheitsgeschichte bis zur heutigen Zeit.
Die Entwicklung der Vaterschaft erstreckt sich über die Menschheitsgeschichte, die vor drei Millionen Jahren begann. In steinzeitlichen Zeiten prägten Harem ähnliche Strukturen und der Sexualdimorphismus die Geschlechterrollen. Erst im Laufe der Evolution entstanden neue Formen von Geschlechterordnungen, darunter polygyne, polyandrische und monogame Beziehungen. Die eigentliche Paarbindung, so Ahnert, entwickelte sich als Mittel, um die Sicherheit der Vaterschaft als gewährleistet anerkennen zu können.
Die Lebensweise zu dieser Zeit wirft Diskussionen über Geschlechterrollen und Arbeitsteilung auf. Knochenfunde und Grabbeigaben lassen den Schluss zu, dass auch Frauen an Großwildjagden beteiligt sein mussten. Erst während der Mutterschaft übernahmen Männer die Rolle des Ernährers. Die Entstehung der hegemonialen Männlichkeit erfolgte erst vor wenigen Jahrhunderten und beeinflusste traditionelle Geschlechterordnungen.
Die Forschung des CENOF [Central European Network on Fatherhood], das Dr. Lieselotte Ahnert viele Jahre leitete, zeigt, dass Väter ihre Kinder in den frühkindlichen Lebensbereichen wie der Emotions- und Sprachentwicklung, Stressverarbeitung, Motorik, Leistungsmotivation und Verhaltensanpassung maßgeblich prägen. Die Untersuchungen ergaben, dass besonders aktive Väter eine höhere Partnerschaftszufriedenheit aufweisen; so beeinflussen väterliche Zuwendung und Zeit die gesamte Beziehungsstruktur in der Familie, unabhängig von den persönlichen Erfahrungswerten der Mutter. Die Evolution initiierte folglich nicht nur körperliche Veränderungen bei Männern, sondern beeinflusste auch ihre Psyche und ihr Verhalten.
Das hegemoniale Männlichkeitsbild, das in den letzten Jahrhunderten die Geschlechterordnung stark prägte, korrigiert sich in der heutigen modernen Zeit. Neue Ansprüche an gemeinsames Leben würden sich abzeichnen, wodurch Männer zu neuen Partnern und Vätern werden. Vaterschaft wird demnach nicht mehr nur als biologischer, sondern auch als sozialer und emotionaler Prozess betrachtet, der die Vielfalt und Komplexität moderner Familien widerspiegelt.
Univ.-Prof. Dr. Dr. Lieselotte Ahnert ist emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie des Instituts für Psychologie der Universität Wien und Gastprofessorin an der Freien Universität zu Berlin. Sie hat in den letzten Jahren das Headquarter von CENOF (Central European Network on Fatherhood) in Wien geleitet und damit zu international beachteten Erkenntnissen über Väter beigetragen.