8. Mai 2019

Soziale Arbeit braucht Forschung

 

FH-Prof. Mag. Dr. Andreas Bengesser hat seit kurzem die Leitung des Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit (KOSAR) übernommen. Im Interview erzählt er, welche Ziele er verfolgt und warum Forschung auch in der Sozialen Arbeit wichtig ist.

 

Das Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit (KOSAR) arbeitet an den Lösungen zur Bearbeitung von sozialen Problemen und von gesellschaftlichen Herausforderungen mit und trägt dazu bei, die Forschungsleistungen gebündelt darzustellen und so sichtbarer zu machen. 

Welche Ziele wollen Sie mit dem Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit erreichen?

Mir ist es wichtig, die Sichtbarkeit der Marke KOSAR in ihrer einzigartigen Kombination aus breiter thematischer Expertise der Studiengänge im Department Soziales und breiter methodischer Expertise (sowohl qualitative und quantitative) der Lehrenden und Forschenden weiter zu erhöhen. Fachhochschulen und Universitäten unterscheiden sich insbesondere durch das Verhältnis von Lehre und Forschung. Da in den Fachhochschulen die Lehrverpflichtung die Hauptaufgabe ist, ist es wichtig dazu beizutragen, dass sich Lehrtätigkeit und Forschung friktionsfreier verbinden lassen (Stichwort unflexible Unterrichtszeiten vs. Notwendigkeit einer hohen zeitlichen Flexibilität, um Forschung durchführen zu können).

Wo wollen Sie Schwerpunkte setzen?

Ich möchte dazu beizutragen, dass das KOSAR mit seiner bisherigen thematischen und forschungsmethodischen Vielfalt fortgeführt wird. Das spricht gegen eine dezidierte Schwerpunktsetzung. Meine bisherigen Arbeiten im KOSAR und meiner Dissertation haben sich mit dem Thema „Evaluierung“ sozialpolitischer Maßnahmen beschäftigt. Um zu verstehen, welche Auswirkungen sozialpolitische Maßnahmen haben, interessieren ausschließlich kausale Zusammenhänge. Für die Evaluierung kausaler Effekte politischer Maßnahmen gibt es mittlerweile hinreichend „ausgereifte“ Verfahren, die sich in der praktischen Anwendung als nützlich erweisen und sogar zu einer „Glaubwürdigkeitsrevolution in den empirischen Wirtschaftswissenschaften“ (Angrist/Pischke 2010) führten. Evaluierung ist meines Erachtens ein Bereich, in dem das KOSAR seine Kompetenz weiter ausbauen kann. Vertreter*innen von Institutionen formulierten in Gesprächen mir gegenüber, wiederholt die Notwendigkeit und den Wunsch, die Wirkung ihrer Tätigkeit auch „mit Zahlen“ überprüfen und untermauern zu können. Es ist allerdings eine Tatsache, dass komplexe Wirkungszusammenhänge oftmals nicht (nur) anhand von „Zahlen“ analysiert werden können, sondern auch einen qualitativen Forschungszugang erfordern. Aufgrund der vielfältigen methodischen Expertisen der Lehrenden im Department Soziales kann diesem Umstand im KOSAR entsprochen werden kann.

Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, ein Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit zu haben?

Soziale Arbeit braucht Forschung ¬ darin sind sich weitgehend Praxis und Hochschulen einig. Forschung ist aber nur möglich, wenn die Hochschulen über Ressourcen und Strukturen wie das KOSAR verfügen. Soziale Arbeit ist als Disziplin und Profession auf Forschung angewiesen. Ihre Fragestellungen werden in den Forschungsförderprogrammen bislang aber kaum berücksichtigt. Daher sind eigene Forschungsförderprogramme für die Soziale Arbeit notwendig, wofür das KOSAR Lobbyarbeit erbringen kann. Obwohl die Sozialwirtschaft durchaus ein Interesse an der Forschung hat, ist es für Forschungsvorhaben in der Sozialen Arbeit nach wie vor schwieriger als für technische Fachbereiche, auf Kofinanzierungen aus Unternehmen zurückzugreifen. Trotzdem sind Unternehmen der Sozialwirtschaft als Drittmittelgeber für die Forschung in der Sozialen Arbeit wichtig. Oft wünschen sich diese Unternehmen eine Ansprechstelle für ihre Forschungsvorhaben bei der alles „zusammenläuft“. Damit erfüllt das KOSAR eine wichtige Verbindungs- und Vernetzungsfunktion zwischen forschungsrelevanten Fragestellungen aus der Praxis und forschenden Lehrenden. Das Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit entwickelt mit forschungs- und praxiserfahrenen Lehrenden der FH-Studiengänge des Departments Soziales in Kooperation mit Behörden, Sozialen Einrichtungen und der öffentlichen Hand Forschungsthemen. Die Ergebnisse und Erkenntnisse fließen in Lehre sowie Praxis ein. Dies trägt zur Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit, aber auch zur Qualität in der Lehre bei.

Welche Projekte werden derzeit im KOSAR bearbeitet?

Das KOSAR beschäftigt sich momentan mit folgenden Projekten:

  • Smartes Wohnen für Generationen – multidimensionale Transformationsprozesse im Wohnquartier mitgestalten (Projektleitung: FH-Prof. Christioph Stoik, MA)
    Dieses Demonstrationsprojekt „Smartes Wohnen für Generationen“ ist im Kontext der Themen wachsende Stadt, altersgerechtes Wohnen, Sanierungsbedarf im geförderten Wohnbau der 1970er Jahre, Klima- und Energieherausforderungen und Partizipation von Bewohner*innen verortet. Konkret werden Transformationsprozesse in einer Wiener Wohnanlage aus den 1970er Jahren mit innovativen Maßnahmenbündeln begleitet, um einen Mehrwert für Bewohner*innen und Quartier zu ermöglichen. 
  • Fair-Play-Teams – Evaluierung (Projektleitung: Mag.a Manuela Hofer, BA)
    Seit 2010 sind Fair-Play-Teams in zuletzt 15 Bezirken im Einsatz, um sich professionell mit der Kommunikation in öffentlichen Räumen in Wien auseinander zu setzen. In einem Rahmenkonzept und in Detailkonzepten der unterschiedlichen Auftragnehmer*innen, sind die zu verfolgenden Ziele genau definiert. Die MA 13 ist als Vertretung des Auftraggebers (Stadt Wien) nun daran interessiert, welchen Einfluss Fair-Play-Teams in Bezug auf die Kommunikation und die Perspektiven auf öffentliche Räume haben.
  • Wohnzufriedenheit Home 21 (Projektleitung: FH-Prof. Dipl.- Soz. –wiss., Dr. Marc Diebäcker) 
    Der Fokus des Forschungsprojekts soll erstens auf der Wohnzufriedenheit und dem Bedarf von Bewohner*innen des Projekts Home 21 liegen. Mit Blick auf den Besiedlungsprozess der Wohnhausanlage sollen zweitens die Herausforderungen und Lösungen des Ein- und Nachzugs und des Belegungsmanagements an den Schnittstellen, z.B. zwischen Bauträger und Hausverwaltung, Wohnberatung Wien, Obdach Wien und Fonds Soziales Wien sowie Caritas Wien, genauer untersucht werden.
  • Schulsozialarbeit Modul 5 (Projektleitung: FH-Prof.in Mag. Christine Würfl)
    Dieses Professionalisierungsmodul der Weiterbildung zur Schulsozialarbeit in Österreich hat das Ziel zentrale Weiterbildungsinhalte literaturgeschützt und evidenzbasiert im Rahmen einer empirischen Erhebung zu destillieren und zu systematisieren. Die Ergebnisse werden dann in Form eines Forschungsberichts vorgelegt.
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