26. November 2019
Architekt Juri Troy über Holzbau als Schlüssel zu einer neuen ganzheitlichen Architekturauffassung
Was haben 500 Jahre alte achtstöckige Lehmhäuser aus dem Jemen und der Film „Zurück in die Zukunft“ gemeinsam? Am 19.11. schlug Juri Troy in einer Campus Lecture im Rahmen der Vortragsreihe "Gegenwartsarchitektur" dafür die Brücke: Sie alle können als Metaphern für das Verständnis und die Entwicklung von Baukultur dienen.
Der Architekt startet seinen Vortrag mit einem historischen Rückblick in den Jemen zu alten mehrgeschossigen Lehmhäusern. Damals waren die verfügbaren Ressourcen an die Umgebung gebunden. Man konnte nur jene Materialien verwenden, die auch vor Ort verfügbar waren und die man transportieren konnte. Nach der Nutzungsphase von Gebäuden konnte die Natur diese einfach wieder in ihren Kreislauf abbauen.
Baumethoden entwickelten sich aus lokalen Handwerkstraditionen und das Fachwissen wurden an die nächste Generation weitergegeben. Man wusste über die speziellen Eigenschaften von natürlichen Baumaterialien wie Holz, Lehm und Stein Bescheid und entwickelte detaillierte Lösungen und Maßnahmen für den Einsatz dieser natürlichen Baustoffe. Diese autochthone Architektur Auffassung hat sich durch die Evolution immer weiterentwickelt und erreichte ihren größten Reichtum bis vor dem 1. Weltkrieg. Der Krieg führte nicht nur zu großem menschlichen Verlust, sondern auch zu einem Verlust der Baukultur und zu einer Abwendung von einer autochthonen Architekturauffassung.
Seitdem etablierten sich internationale Baumethoden mit Massenproduktion. Zudem bewirkte die erneute, tiefgreifende industrielle Revolution den Verlust menschlichen Handwerks und förderte eine ortsunabhängige Rohstoffförderung. Die Gesellschaft vertraute auf Lösungen durch Technik und Maschinen. Woher etwas stammt, wohin es nach der Lebensdauer entsorgt wird und wie wir unsere Umwelt gestalten, steht im direkten Zusammenhang mit der Einstellung der Gesellschaft. Juri Troy spricht daher von einem Identitätsverlust der Baukultur, dessen Auswirkungen wir noch heute spüren.
Juri Troy sieht Parallelen vom Film „Zurück in die Zukunft“ zum realen Leben: Wir können mit unseren Handlungen in der Vergangenheit und der Gegenwart - die Zukunft steuern. Für die Baukultur bedeutet das Rückbesinnung und Wertschätzung handwerklicher Qualität, eine materialgerechte Wahrnehmung und somit eine erneute Evolution. Unter dem Begriff der Baukultur versteht der Architekt eine allumfassende Betrachtung, die Wirtschaftlichkeit, Funktionalität, Ästhetik, Klima, Ort, Material, Haltbarkeit, Energie, Behaglichkeit, Umwelt, Raumluft, Licht und Lärm miteinbezieht. Diese ganzheitliche Reflexion von Architektur und eine holistische Auffassung des Bauprozesses spiegelt sich in Juri Troys Bauprojekten wider. Als Architekt muss man die Emotionen verstehen, die in einer bestehenden Umgebung vorhanden sind und sie wertschätzen. Ein gutes architektonisches Detail entsteht nicht in erster Linie aus seiner Ästhetik heraus, sondern durch die emotionale Wertschätzung und dem Verständnis der verwendeten Materialien. Der Holzbau gibt durch seine natürlich gewachsenen Eigenschaften ein gewisses Regelwerk vor. Daher ist ein Umfassendes und Ganzheitliches Wissen und Denken erforderlich, um das Material würdevoll einzusetzen.