14. Juni 2017
Boote kann man bauen, das ist bekannt. Weniger bekannt ist: man kann sie auch betonieren und dann an einer Regatta teilnehmen. Gesagt, getan in Rekordzeit von einem Studierendenteam des Departments Bauen und Gestalten – und „Kanu Reeves“ stach in (den Fühlinger) See.
Zum ersten Mal war ein achtköpfiges Team der FH Campus Wien - bestehend aus Lukas Samwald, Peter Modos, Katrin Nasr, Christoph Dessoulemoustier, Werner Heiss, Tobias Frühwirt, Sebastian Stritzl (alle Studierende im Bachelorstudium Bauingenieurwesen-Baumanagement der Jahrgänge 2018 bzw. 2019) und Stefanie Pamer, Studentin im Bachelor Green Building – bei der 16. Deutschen Betonkanu-Regatta am Start des Fühlinger Sees bei Köln. Die Bewerbe fanden am Samstag, dem 10. Juni statt. Am Tag zuvor wurden alle Boote gemessen und gewogen und von den PreisrichterInnen auf ihre Regelkonformität hin überprüft.
Schon bei ihrer Premiere landeten die Studierenden aus Wien einen Achtungserfolg: Sie holten den zweiten Platz im ersten Wettkampflauf und waren damit das schnellste österreichische Team. Auch wenn sich das Halbfinale diesmal nicht ausging – den Studentinnen und Studenten gelang mit ihrem Erstling „Kanu Reeves“ eine große sportliche Leistung. Das Kanu wurde aus mehreren, von Glasfasermatten zusammengehaltenen Schichten eines Spezialbetons hergestellt.
Angetreten waren 125 Mannschaften von über 50 Fachhochschulen, Universitäten und anderen Einrichtungen, an denen Betontechnik gelehrt wird aus ganz Europa. Österreich war neben der FH Campus Wien noch durch ein Team der TU Graz vertreten.
Die Team-T-Shirts zum Wettkampftag verdeutlichten das Motto und zugleich den Spirit: „Für immer Beton.“ Denn in den letzten Wochen wurden wahre Rekorde aufgestellt: Auf Hochdruck wurde betoniert, ausgeschalt, ausgebessert und zu guter Letzt, bemalt – und das alles neben Studium, Prüfungsstress und Job. „Kanu Reeves“ bestand seine Feuertaufe, sprich, die Probewässerung an der Neuen Donau mit Bravour, der Regatta in Köln stand somit nichts mehr im Wege.
Die alle zwei Jahre stattfindende Betonkanu-Regatta ist eine Mischung aus Beton- und Bootsbautechnik, sportlichem Wettkampf und vor allem viel Spaß. Im Wettbewerb ist eine komplexe Aufgabe zu lösen, nämlich die Festigkeit und Wasserdichtheit der Baustoffe so in der Kanukonstruktion zu nutzen, dass leichte und gleichzeitig robuste Kanus entstehen. Und dann gilt es noch, mit diesem Kanu das Rennen zu gewinnen.
Die Idee einer Betonkanu-Regatta stammt ursprünglich aus den USA und wurde in den späten 1960er Jahren geboren. 1986 initiierte der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e.V. zum ersten Mal in Deutschland einen Betonkanuwettbewerb. Im Juni 2015 fand die Betonkanu-Regatta bereits zum 15. Mal statt, über 100 Mannschaften aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch einige aus dem europäischen Ausland fuhren in Brandenburg (Havel) um die Wette.
In einem Betonkanu-Projekt sammeln die AkteurInnen also nicht nur wertvolle praktische und handwerkliche Erfahrungen mit dem Baustoff Beton, sondern lernen, ein Projekt im Team zu realisieren - verantwortlich Teilaufgaben zu übernehmen, zu koordinieren, abzustimmen und alle Einzelergebnisse zu einem Gesamtwerk zusammenzufügen. „Unglaublich, wie sehr Teamgeist, Motivation und Spaß bei den Studierenden in den letzten Wochen spürbar waren, das war schon toll“, zeigte sich Markus Vill, Lehrgangsleiter und Forscher am Department Bauen und Gestalten beeindruckt. Er gab den Studierenden noch letzte betonbautechnische Tipps mit auf den Weg nach Köln.
Das FH Campus Wien Team mit Kanu Reeves, ©Zement + Beton Handels- und Werbeges.mbH
Die Herstellung eines Kanus aus Beton stellt einen komplexen Vorgang dar. Stahlbeton wird üblicherweise mit Bauteilstärken die nicht unter 10 cm liegen, hergestellt. Der Bau des Kanus kann nur mit Wandstärken von max. 1 cm erfolgen, da ansonsten der Auftrieb bzw. die Schwimmsicherheit nicht mehr gegeben ist und Wassereintritt durch Wellenschlag bei großem Tiefgang möglich ist.
Einerseits erfordert die Herstellung des Kanus somit eine Konstruktion mit hoher Festigkeit und Wasserdichtheit und andererseits soll das Eigengewicht gering gehalten werden. Gleichzeitig muss der Beton gut verarbeitbar sein und soll die richtige Konsistenz aufweisen, da nur von einer Seite eine Schalung hergestellt werden kann. In die Konstruktionsstärke von nur 5 bis 10 mm muss dann noch eine Bewehrung in Form eines Fasergeleges eingebaut werden.
Damit auch bei Wassereintritt durch die Öffnung von oben das Kanu unsinkbar wird, sind Auftriebskörper eingebaut.
Das zu verwendete Material muss demgemäß eine hohe Dichtheit, gute Verarbeitbarkeit und schnelle Festigkeitsentwicklung haben. Hierzu dient UHPFRC (Ultra-High-Performance-Fiber-Reinforced-Concrete). Zur Herstellung einer eigens entwickelten Rezeptur wäre ein Betonbaulabor notwendig gewesen, weshalb sich das Team entschlossen hat ein Fertigprodukt der Firma Dyckerhoff „Nanodur“ zu verwenden. Dieses Bindemittel wird mit feinem Quarzsand, einem sehr geringen Wasseranspruch von 17% und einem Fließmittel der Firma BASF in einem speziellen Mischungsverhältnis – welches mit „try and error“ zu erforschen war - zum Kanubeton vermischt.
Das Material wird in der Praxis für die Herstellung von dünnen Bauteilen, Kunstgegenständen, Möbeln sowie bei Maschinenrahmen in der Industrie verwendet, wo normalerweise nur Stahlguss zum Einsatz kommt. Hierbei sind wesentliche Einsparungen von Herstellkosten gegenüber Stahlguss erkennbar. Der Beton (UHPFRC) wird hier so eingesetzt, dass keine Rissbildung entsteht und die Zugfestigkeit von ca. 20 N/mm2 ausreicht, um auch Verankerungen und Befestigung von Maschinen durchführen zu können. UHPFRC kann Druckfestigkeiten von über 200 N/mm2 erreichen und kommt somit an die Streckgrenze von Baustahl (S235) heran, sieht Markus Vill die Entwicklungen auf diesem Gebiet.
Das Betonkanu-Team des Departments Bauen und Gestalten der FH Campus Wien bedankt sich bei
Zement + Beton Handels- u. Werbeges.m.b.H., Dyckerhoff GmbH, BASF und Arwex Rudersport für die Unterstützung!