Interview mit Nachhaltigkeits-Experten Günter Horniak

zu Themen wie, warum Nachhaltigkeit gerade im öffentlichen Sektor wichtig ist, was Gemeinwohlbilanzen bewirken und warum Gemeinden sich besonders als Impulsgeberinnen für Nachhaltigkeit eignen.

Mag. Günter Horniak ist Lehrender im Fachbereich Public Management - mit Schwerpunkten auf Nachhaltigkeit, Gemeinwohl und Diversity.

Warum ist Nachhaltigkeit im öffentlichen Sektor besonders wichtig?

Das liegt daran, dass dieser zum einen eine Vorbild- und Multiplikator*innenfunktion innehat, aber vor allem auch daran, weil dieser wie kein anderer einen unmittelbaren Einfluss auf die Lebensqualität der Menschen hat und aufgrund seiner Größe Breitenwirkung entfaltet. Er durchdringt alle Lebenswelten: Kindergarten, Schule, Wohnbau, Freizeiteinrichtungen und Veranstaltungen, Einrichtungen im Gesundheitswesen und für die Altenpflege. Und im öffentlichen Dienst sind rund 345.000 Menschen – also exklusive ausgegliederte Einrichtungen und Betriebe – tätig.

Ein Beispiel: Künftig werden vor allem unsere Städte stark wachsen, hier gibt es eine Vielzahl von Anforderungen, die nur der öffentliche Sektor initiieren kann. Dazu gehören umweltfreundliche Mobilitätskonzepte ebenso wie nachhaltiger Städtebau.

Welche Bereiche entfalten die größte Hebelwirkung für Nachhaltigkeit?

Das Beschaffungswesen könnte die größte Hebelwirkung haben. Das neue Bestbieterprinzip für öffentliche Aufträge, das das Billigstanbieterprinzip ersetzt, ist hier ein guter Anfang. Es lässt mehr Raum für Nachhaltigkeitskriterien. Aber erst wenn Nachhaltigkeit in der Beschaffung verpflichtend ist, werden sich auch die Märkte entsprechend verhalten. Von diesem Idealzustand sind wir derzeit aber noch weit entfernt. Auf den zweiten Blick sind vor allem auch Energie, Verkehr und der Bau wichtige Treiber für Nachhaltigkeit.

Wann funktioniert eine Nachhaltigkeitsstrategie?

Sie funktioniert, wenn „die richtigen“ Maßnahmen definiert und tatsächlich realisiert werden. Auch hier könnte der öffentliche Sektor mit vielen Best Practices richtungsweisend sein. Aber die Strategien z.B. zur „nachhaltigen Beschaffung“ oder die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie haben den Weg vom Papier in die Realität noch nicht ganz geschafft. Und das obwohl seit Juni 2013 Nachhaltigkeit als Prinzip explizit in der Bundesverfassung verankert ist. Der 2012 angedachte Nationale Aktionsplan CSR (Corporate Social Responsibility), der die Unternehmen zu nachhaltigen Handeln motivieren soll, wurde noch nicht mal zu Papier gebracht.

Was "wollen" Gemeinwohlbilanzen?

Sie "wollen" ähnlich wie Geschäftsberichte unternehmerischen Erfolg aufzeigen. Aber im Gegensatz zur rein finanziellen Berichterstattung, die sehr oft zu kurz greift, misst die Gemeinwohlbilanz nachvollziehbar anhand von 17 Indikatoren, ob ein Unternehmen am Menschen orientiert handelt, Kooperation statt Konkurrenz in den Vordergrund stellt und ob es sich demokratisch und ökologisch verhält. Also ob ein Unternehmen den eigentlichen Zweck von Wirtschaft erfüllt. Dieser besteht darin, durch Verteilung und Verfügbarmachung Nutzen zu schaffen. Im öffentlichen Sektor sollte dies zum Standard werden - auch aus Legitimationsgründen.

In welche Richtung gehen die Forschungsaktivitäten der Studiengänge Public Management?

Sie gehen auch in Richtung Nachhaltigkeit und Gemeinwohl im öffentlichen Sektor – mit speziellem Augenmerk auf den Kommunalbereich. Denn die eigene Gemeinde ist als Gebietskörperschaft für die Menschen die greifbarste „Einheit“, in die sie selbst spürbar integriert sind. Gemeinden haben verschiedene Rollen, nämlich als Behörde, die Regeln festlegt, aber auch als Wirtschaftstreibende. In beiden Rollen tragen sie deutlich sichtbar zur Lebensqualität der Menschen bei. Auch die Mitbestimmung der Bürger*innen ist häufig auf kommunaler Ebene einfacher möglich. In diesem Setting ist der Boden relativ gut aufbereitet, um Nachhaltigkeitsforderungen zu realisieren.

Worin liegt der größte Nachholbedarf?

Es geht darum unsere Einstellung zu ändern. Es braucht einen Wertwandel, eine Neugewichtung unseres Wertesystems und mehr Solidarität. Gewinnmaximierung, Ausbeutung, ungerechte Verteilung, Konsumverhalten, Energieverbrauch, also unser gesamter Lebensstil, stehen oft im glatten Widerspruch zur Nachhaltigkeit und machen uns nicht zukunftsfähig.

Welches Vorzeigeprojekt der letzten Zeit hat Sie persönlich überzeugt?

Beispielsweise das e5-Programm, das Gemeinden unterstützt, Energie effizienter und umweltverträglicher nutzen zu können und den Einsatz von erneuerbaren Energieträgern auszubauen. Gemeinden können sich damit einiges an Energiekosten ersparen und können mit bis zu fünf „e“ ausgezeichnet werden, was natürlich auch im Rahmen des Marketings für den Fremdenverkehr genutzt werden kann.

Welche möglichen Innovationsimpulse sehen Sie?

Diese gehen von den immer mehr werdenden Social Start-Ups aus. Innovative Lösungen und smarte Technik werden dabei nicht zur Gewinnmaximierung eingesetzt. Die hinter diesen Unternehmen stehenden jungen Menschen wollen häufig Sinn, mit Spaß und Einkommen verbinden. Das macht Hoffnung.

Was wünschen Sie sich bis 2030?  

Ich wünsche mir, dass Österreich energieautark und damit auch unabhängig von Erdöl und Atomstrom wird, den es im besten Fall dann ohnehin nicht mehr gibt. Dazu wird es notwendig sein, dass vor allem der öffentliche Sektor, aber auch jeder einzelne Haushalt seinen Beitrag leistet – vom energieautarken bzw. energieproduzierenden Haus (auch Unternehmenssitze) bis hin zum Elektroauto. Wir könnten dann erneuerbare Energien verstärkt exportieren. Österreich könnte damit weltweit zum Vorbild werden.


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