Interview mit Jasmin Himmelfreundpointner

Ein Beruf für alle Fälle – erst recht im Krisenfall

Covid-19, das Virus hat unsere Gesellschaft verändert. Systemerhaltende Berufe, wie Gesundheits- und Krankenpfleger*innen werden als Helden gefeiert, wenn man aber mit den Personen nahe an den Covid-19 Patient*innen spricht, dann ist es für sie „ganz normal“. Naja – vielleicht nicht ganz, denn in einem Krankenhaus, so wie es in Wien am Messegelände eingerichtet worden ist, zu arbeiten, ist doch wieder etwas Besonderes. Jasmin hat dort im Mai ihr letztes Praktikum vor der Bachelorprüfung Gesundheits- und Krankenpflege absolviert und gibt uns Einblicke in den Krankenhausalltag in einer riesigen Halle mit 880 Betten.

 

Der Praktikumsplatz in der Messe Wien hat sich ja sehr kurzfristig ergeben, wie waren Ihre ersten Gedanken nach der Praktikumszusage?

Zunächst Erleichterung, weil damit klar war, dass ich trotz Absage vom ursprünglich geplanten Praktikumsplatz Erfahrungen sammeln kann und der Bachelorabschluss damit möglich wurde. Der Studiengang an der FH Campus Wien hat sehr geholfen, damit es für alle Studierenden, wenn nötig, mit einem Ersatzpraktikumsplatz geklappt hat.

Ich hatte aber auch eine gewisse Skepsis, weil ja anfänglich noch gar keine Patient*innen in der Messe untergebracht waren und als der Betrieb ins Laufen kam, nur Positiv-Getestete mit leichten Symptomen zu pflegen waren. Meine Befürchtung war, dass dabei der Lerneffekt ausbleibt, aber völlig unbegründet, ich habe enorm viel gelernt.

880 Betten, mehrere Hallen, in sehr kurzer Zeit wurde das Messegelände zum Betreuungsort für Covid-19-Erkrankte mit leichtem Verlauf umgebaut, wie aufregend waren die ersten Tage in Ihrem Praktikum?

Es herrschte zwar noch kein Patient*innen-Betrieb, aber wir durften uns alles anschauen und die Location ist schon sehr riesig und eindrucksvoll. Die ersten Tage haben wir geübt, wie man sich richtig einschleust, also die Schutzausrüstung richtig an- und auszieht. Wir absolvierten Schulungen zu Krisenintervention und eine Schulung speziell zum Umgang mit Flüchtlingen. Nach ein paar Tagen sind die ersten Patient*innen gekommen, das war sehr aufregend. Man muss sich das so vorstellen, in der Halle gab es keine Wände und Türen, sondern es waren Koje abgeteilt mit jeweils zwei Betten. Wir haben darauf geachtet, dass die Patient*innen genügend Privatsphäre hatten.

Welche Aufgaben haben Sie übernommen?

Zu den wichtigsten Aufgaben zählte die Aufnahme, dazu gehört die Datenadministration und darauf zu achten, ob eine Medikamentation von Nöten ist und zu schauen, dass diese Medikamente dann auch vor Ort sind. Weiters erfolgte das Anlegen von der Patient*innenkurve und die Personen über die Verhaltensregeln in der Quarantäne richtig zu unterweisen. Ähnlich wie im Krankenhaus war ich bei der Arztvisite dabei und habe Vitalparameter gemessen und Medikamente eingeschachtelt. Wir haben die Patient*innen unterstützt, wo nötig, aber die meisten waren sehr selbstständig.

Wenn Sie an die Tage zurückdenken, was war ganz besonders daran?

Der Kontakt mit den Patient*innen in der Schutzausrüstung war schon sehr speziell. Wir waren ja in Vollmontur, also einem Schutzoverall mit Brille und Maske. Für die Patient*innen haben wir Gesundheits- und Krankenpfleger*innen komplett gleich ausgesehen, sie konnten uns gar nicht unterscheiden. Und dennoch wollte ich ja versuchen, eine Bindung herzustellen. Das war ein bisschen schwierig. Die Patient*innenanzahl von bestätigten Fällen war überschaubar. Aber durch eine Neuinfektion in einem Wiener Flüchtlingsheim ist dann sehr plötzlich die zweiten Halle D in Betrieb gegangen, wo dann über 300 Personen in Quarantäne einquartiert wurden. Das war eine intensive Situation, aber wir haben da auch super mit den Rettungssanitäter*innen der Johanniter und den Zivildienern zusammengearbeitet.

Wie war die Reaktion Ihrer Familie oder im Freundeskreis auf so ein besonderes Praktikum?

Die Meisten waren schon in Sorge, dass ich mich anstecken könnte, aber ich habe sie da beruhigen können. Wir hatten den besten Schutz durch die Schutzkleidung.

Wie haben Sie persönlich die Zeit des Lockdowns im Frühjahr 2020 empfunden?

Schon als belastend, mitten im Studium von einem Tag auf den nächsten nicht mehr an die FH zu können, war ein bisschen ein Schock. Wenn man auf den Abschluss hinfiebert und plötzlich das Gefühl hat, es steht alles auf der Kippe, dann ist das beunruhigend. Der Workload war sehr hoch, es war eine schwierige Zeit. Aber wir haben alles gut hinbekommen, und das Praktikum war eine wertvolle Erfahrung für mich persönlich.

Was nehmen Sie aus dem Praktikum für sich mit?

Das selbstständige Arbeiten und auch ein gesteigertes Selbstbewusstsein, denn obwohl ich ja Praktikantin war, hat mich jede*r wie eine Gesundheits- und Krankenpflegeperson mit Abschluss behandelt. Ich habe viel gelernt, auch beispielsweise den Umgang mit der Schutzausrüstung, nach zwei bis drei Stunden Arbeiten ist das ja schon recht anstrengend. Und durch die Quarantäne-Isolation ist auch die soziale Komponente sehr gefragt gewesen.

Was ist es für ein Gefühl, bei einer Krise Teil der helfenden Personen zu sein?

Ich bin sehr froh, dass ich dabei sein konnte. Ich war mir sehr schnell sicher, dass ich meinen Beitrag leisten möchte. Und es ist ein gutes Gefühl, dass ich es dann auch getan habe.

Im Sommer hat Jasmin ihre Bachelorprüfung absolviert und startet nun auf der Intensivstation in einem Wiener Krankenhaus in ihr Berufsleben als Gesundheits- und Krankenpflegerin.


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