Die Mission der FH Campus Wien ist es, Zukunft mit Bildung zu gestalten. Die Veranstaltungsreihe „Zukunftsgespräche“ der FH Campus Wien greift diesen Anspruch unmittelbar auf. Namhafte Gäste aus dem In- und Ausland diskutieren mit den Expert*innen der FH über die aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft und die Grenzen, an die wir bei deren Lösung bisweilen stoßen. Die Zukunftsgespräche suchen nach Ansätzen für die Zukunft und bieten Raum für öffentlichen Diskurs.
Die Zukunftsgespräche finden auch künstlerische Replik und werden stets von einer Ausstellung mit Exponaten zeitgenössischer Kunstschaffender begleitet. Zum Thema Veränderung präsentieren seit April Künstler*innen Werke unterschiedlicher Kunstformen - Bleistiftzeichnungen, Bilder experimenteller Mischtechniken genauso wie dreidimensionale Kunstobjekte oder besonders behandelte Blätter des Ginko Baums. Das bei einer mehrtägigen Arts-based Research-Aktion entstandene Wandgemälde zeigt die Eindrücke, die in der direkten Kommunikation der Künstler mit den Studierenden der FH Campus Wien zum Thema Veränderung entstanden sind. Die aktuelle Ausstellung ist bis April 2020 zu den Öffnungszeiten der FH Campus Wien öffentlich zugängig.
Wir leben in einer zunehmend vernetzten und automatisierten Welt, in der neue Technologien immer neue Eingriffe in unsere Privatsphäre ermöglichen. Dass wir dabei die Kontrolle über unsere Daten verlieren, ist für die Technologieexpertin Frederike Kaltheuner nicht die einzige Bedrohung. Am 28. November war sie zu Gast bei den Zukunftsgesprächen der FH Campus Wien und diskutierte mit Judith Haberhauer und Michal Sedlačko über Autonomie, Datengerechtigkeit und in welcher Welt wir künftig leben wollen, wenn es um unsere Privatsphäre geht.
Wir sind von Systemen umgeben, die Annahmen treffen, Rückschlüsse ziehen und darüber urteilen, wer wir sind und wer wir sein werden.
Das bedroht weit mehr als nur unsere Privatsphäre.
Frederike Kaltheuner, Expertin für Technologiepolitik
„Die Gefahr ist wesentlich komplexer und perfider. Fast alles, was wir heute tun, hinterlässt Datenspuren, die – meist ohne unser Wissen und unsere Zustimmung – dazu genutzt werden, uns zu bewerten und Entscheidungen über uns zu treffen. Wir sind von Systemen umgeben, die Annahmen treffen, Rückschlüsse ziehen und darüber urteilen, wer wir sind und wer wir sein werden. Das bedroht weit mehr als nur unsere Privatsphäre“, sagt Kaltheuner.
Nicht wir geben zu viel über uns preis, mittlerweile werden viel mehr Daten ohne unser Wissen verarbeitet.
Frederike Kaltheuner, Expertin für Technologiepolitik
Die Digitalisierung hat das Ausmaß der Daten, die gesammelt und analysiert werden können, um ein Vielfaches gesteigert. Viele Menschen glauben immer noch, dass es sich dabei überwiegend um Daten handelt, die sie mehr oder weniger bewusst geteilt haben. „Aber nicht wir geben zu viel über uns preis, mittlerweile werden viel mehr Daten ohne unser Wissen verarbeitet“, räumt Frederike Kaltheuner in ihrer Keynote mit einem weit verbreiteten Missverständnis auf. Es ist längst unmöglich geworden zu kontrollieren, welche Daten gesammelt und mit wem sie geteilt werden: „Die meisten Apps zum Beispiel geben Daten automatisch an Facebook oder Google weiter und wir können dieses Tracking nicht blockieren, weil mobile Betriebssysteme das nicht zulassen.“
Unternehmen, aber auch Regierungen greifen auf sehr private Details aus dem Leben von Menschen zu und ziehen daraus Rückschlüsse. Weder wissen die Betroffenen darüber Bescheid noch können sie es verhindern. Das schränkt nicht nur ihre Autonomie ein, es erzeugt auch ein Machtungleichgewicht zwischen Menschen, Unternehmen und Regierungen. Kaltheuner, die bis vor kurzem für die Menschenrechtsorganisation Privacy International tätig war, fordert deshalb künftig mehr Transparenz und Selbstbestimmung und, dass das Recht auf Privatsphäre, das ein Menschenrecht ist, kein Luxus sein darf: „Ich möchte, dass alle Menschen neue Technologien nutzen können, dass sie öffentlich sind und Dinge über sich preisgeben – aber nur dann, wenn sie es wollen und zu ihren Bedingungen.“
„Das Thema Privatsphäre ist in der Sozialen Arbeit an sich nichts Neues“, sagt Judith Haberhauer, Expertin für qualitative Sozialforschung an der FH Campus Wien. Soziale Arbeit und Forschung in der Sozialen Arbeit dringen tief in private Lebenswelten ein: „Wir gewinnen oft sehr intime Einblicke in das Leben und Umfeld von Klient*innen und Proband*innen.“ Die Schutz- und Kontrollfunktion Sozialer Arbeit einerseits und das Recht auf Privatsphäre des bzw. der Einzelnen andererseits können da bisweilen in ein Spannungsfeld geraten. Als „Menschenrechtsberuf“ arbeitet Soziale Arbeit in der Praxis mit Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen und für deren Rechte: „Die Digitalisierung bietet uns in diesem Zusammenhang neue Möglichkeiten, die es zu nützen gilt. Sie stellt uns aber auch vor neue Herausforderungen, für die wir erst geeignete Lösungen finden müssen.“
Für Michal Sedlačko von der FH Campus Wien steht fest: Die Digitalisierung hat den Umgang des Staates mit seinen Bürger*innen verändert. „Die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Datenverarbeitung werden in der öffentlichen Verwaltung oft enthusiastisch umgesetzt. Die Daten wirken verführerisch – oftmals werden sie jedoch ohne kritische Reflexion für Zwecke verwendet, für die sie nicht ursprünglich erhoben wurden. Diese Vorgehensweise macht sie riskant“, so der Experte für Public Management. Weitere Risiken verbergen sich in der Fehlerhaftigkeit der Daten und den daraus gezogenen falschen Rückschlüssen. Diese Probleme treten beispielsweise bei Übernahme der Daten aus älteren Datenbanken auf, wie auch in prädiktiven Algorithmen. Trotzdem ist der Staat – dank Rechtsstaatlichkeit, Subsidiarität, Selbstregulierung und Verhältnismäßigkeit – ein deutlich geringeres Risiko für die Privatsphäre seiner Bürger*innen als die globale Privatwirtschaft, wie Sedlačko abschließend betont.
Zum Thema der Zukunftsgespräche findet an der FH Campus Wien eine Ausstellung von sechs nationalen und internationalen Künstler*innen statt. Die Vernissage hat am 15. Mai 2019 stattgefunden. Die Werke sind bis April 2020 zu sehen.
Die Digitalisierung verändert unsere Welt. Nachhaltig und tiefgreifend, aber auch unvorhersehbar. „Damit wir junge Menschen darauf bestmöglich vorbereiten, müssen wir Bildung radikal neu denken“, ist Manuel Dolderer von der CODE University in Berlin überzeugt. Er war am 16. Mai zu Gast an der FH Campus Wien. Bei den Zukunftsgesprächen diskutierte er mit Carmen Dilch und Arthur Mettinger über neue Ansätze bei der Entwicklung von Curricula, über innovative Lernkonzepte und welche Rolle Lehrende dabei künftig spielen werden.
Kollaboration, Kreativität, Neugier, kritische Urteilsfähigkeit, Unternehmergeist und „Techno-Literacy“, also eine Art digitale Grundkompetenz wie Lesen, Schreiben und Rechnen, sind für den Präsident der CODE University of Applied Sciences die grundlegenden Fähigkeiten, die Menschen künftig benötigen werden, um ihre Welt aktiv mitzugestalten. „Daraus ein Curriculum zu entwickeln und junge Menschen auf diese von digitalen Technologien geprägte Welt vorzubereiten, war die Herausforderung, der wir uns auf dem Weg zur eigenen Hochschule stellen mussten“, erzählt Manuel Dolderer in seiner Keynote. 2017 gründete er gemeinsam mit Thomas Bachem und Jonathan Rüth die Berliner CODE University für digitale Pioniere mit dem Anspruch, dass „Uni auch anders ablaufen kann“.
Anders als an anderen Hochschulen gibt es an der CODE kein vordefiniertes, von Expert*innen entwickeltes Curriculum. „Unsere Studierenden gestalten ihr Studium im Wesentlichen selbst, lernen überwiegend an Praxisprojekten, arbeiten in interdisziplinären und internationalen Teams und das eingebettet in ein unternehmerisches Umfeld“, skizziert Dolderer das Lernkonzept der CODE. Großen Wert legt man dabei auch auf die Vermittlung und den Ausbau von Kernkompetenzen wie Kreativität, kritisches Denken und kommunikative Fähigkeiten.
Als digitale Pioniere von morgen müssen unsere Studierenden kritisch nachdenken und reflektieren lernen
Manuel Dolderer, CODE University Berlin
Was so einfach klingt, bedeutet in der Umsetzung eine radikale Neudefinition der Rolle des/der Lehrenden sowie eine völlig neue Form der Curriculumsentwicklung. Lehrende werden zu Coaches, die ihre Studierenden begleiten und beim Studium unterstützen, und Lernen heißt nicht Vorgegebenes „abarbeiten“, sondern neugierig, selbstgesteuert und eigenverantwortlich entscheiden, was gelernt wird.
„Lehren und mit den Studierenden lernen“, so definiert Carmen Dilch, Unternehmerin und nebenberuflich Lehrende im Department Bauen und Gestalten an der FH Campus Wien, ihre Rolle: Sie versteht sich als Coach ihrer Studierenden. Dilch ist Expertin für innovative Lehrmethoden und arbeitet mit dem Flipped-Classroom-Modell. Ihre Studierende lernen stark selbstgesteuert anhand von Praxisbeispielen und mit Unterstützung durch digitale Lerninhalte. In Präsenzphasen, die für Dilch ein wichtiger Teil des Konzeptes sind, wird das selbst Gelernte dann gemeinsam vertieft und reflektiert. Das Flipped-Classroom-Modell eignet sich sehr gut, um unterschiedliche Wissensniveaus bei Studierenden auszugleichen: „Ich arbeite mit berufsbegleitend Studierenden und die verfügen oftmals über ganz unterschiedliches Wissen. Mit dem Flipped-Classroom-Konzept kann ich meine Studierenden individuell und auf ihrem Level abholen.“
Auch Arthur Mettinger kann der Rolle von Lehrenden als Coaches, die ihre Studierenden unterstützen und begleiten, einiges abgewinnen. Darüber hinaus muss für ihn hochschulische Bildung in Zukunft offener werden. Im Unterschied zur CODE University seien an österreichischen Fachhochschulen die Freiheiten bei der Gestaltung von Curricula derzeit enden wollend, sagt der Vizerektor für Lehre der FH Campus Wien. Deshalb gibt es seit einiger Zeit sogenannte „offene Lehrveranstaltungen“ an der FH. Studierende haben dort die Möglichkeit, Inhalte aus anderen Studiengängen kennenzulernen und sich über Studiengänge hinweg auszutauschen. Mehr Offenheit wünscht Mettinger sich künftig übrigens auch räumlich – Stichwort physische und virtuelle Learning Spaces – und in der interdisziplinären Zusammenarbeit.
Zum Thema der Zukunftsgespräche findet an der FH Campus Wien eine Ausstellung von sechs nationalen und internationalen Künstler*innen statt. Die Vernissage hat am 15. Mai 2019 stattgefunden. Die Werke sind bis April 2020 zu sehen.
Empathie begünstige prosoziales Verhalten und Kooperation, aber wir könnten auch ohne Empathie kooperieren, sagt die Philosophin Monika Betzler von der Ludwig-Maximilians-Universität München bei den Zukunftsgesprächen am 15. November.
Empathie begünstige prosoziales Verhalten und Kooperation, aber wir könnten auch ohne Empathie kooperieren, sagt die Philosophin Monika Betzler von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie war am 15. November zu Gast an der FH Campus Wien und sprach bei den Zukunftsgesprächen über die Fähigkeit zur Empathie im Spannungsfeld zwischen Konflikt und Kooperation. Gemeinsam mit Sabine Schweiger und Manuel Koschuch, beide FH Campus Wien, diskutierte sie anschließend über den Wert von Empathie, den Einfluss und die Auswirkungen neuer Technologien auf unsere Fähigkeit zur Empathie und über die Grenzen von Empathie.
„Wir sollten unsere Fähigkeit zur Empathie kultivieren, aber auch begrenzen. Dazu müssen wir verstehen lernen, inwiefern Empathie im praktischen Alltag wertvoll ist“, empfiehlt Monika Betzler. Empathie ist die mentale Fähigkeit, die Perspektive anderer einzunehmen und ihre Erfahrungen aus ihrer Sicht nachzufühlen. Mit Moral habe das nicht zwangsläufig etwas zu tun, sagte Betzler in ihrer Keynote, denn: „Empathie ist eine Fähigkeit, die nicht notwendigerweise moralisch sein muss!“ Man könne durchaus Empathie mit Gefühlen haben, die keineswegs moralisch seien.
Es ist die Funktion von Empathie, eine Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen herzustellen. Sie ermöglicht insofern prosoziales Verhalten und Kooperation, wir können allerdings auch ohne Empathie kooperieren. „Kooperation kann bisweilen moralisch gefordert sein. Wir kooperieren dann, ohne etwas dabei zu fühlen“, so die Philosophin.
Empathie führt jedoch nicht immer zu wertvollen Beziehungen. „Sie kann manipulativ eingesetzt oder nicht angemessen gefühlt werden, sie kann ungenau sein oder gänzlich fehlen“, sagt Betzler. Empathie sei daher nur in dem Maß wertvoll, in dem sie eine wertvolle Beziehung zwischen den Beteiligten schaffe. Daher gebe es manchmal Gründe für Empathie und manchmal Gründe, sie zu begrenzen.
Empathie spiele in der Gesundheits- und Krankenpflege eine zentrale Rolle, sagt Sabine Schweiger: „Bei uns stehen der Mensch und die Beziehung zu Menschen im Mittelpunkt unseres Tuns. Je geringer in einer pflegerischen Beziehung die Autonomie des oder der Betreuten ist, umso wichtiger wird die Empathie“, so die Lehrgangsleiterin im Department Angewandte Pflegewissenschaft an der FH Campus Wien. Und wenn Empathie eine Definition von Nähe und Distanz ist, dann sei es in einer erfüllten pflegerischen Beziehung ganz wichtig, auch die Grenzen von Empathie zu erkennen, wahrzunehmen und zu reflektieren. Alles andere würde zu einer psychischen Überforderung führen.
„Zweifelsohne spielt Empathie auch in der Technik eine wichtige Rolle. Ich muss mich in der IT-Security durchaus in andere einfühlen können. Entweder in den Hacker oder in den User – je nachdem, woran ich gerade arbeite“, sagt Manuel Koschuch. Er lehrt und forscht im Kompetenzzentrum für IT-Security an der FH Campus Wien.
Insgesamt empathieloser würde unsere Gesellschaft zwar (noch) nicht, aber die fortschreitende Technologisierung und das dislozierte Kommunizieren könnten sich auf unsere Fähigkeit zur Empathie auswirken. Darin waren sich die Diskutant*innen einig. „Sofern der technologische Fortschritt dazu führt, dass wir zunehmend mehr mit Maschinen als mit Menschen zu tun haben, besteht zumindest eine gewisse Gefahr, dass wir unsere Fähigkeit zur Empathie weniger trainieren und deshalb auch weniger in der Lage sind, anderen nachzufühlen“, ist Monika Betzler überzeugt. Dies würde zu einer emotionalen Verarmung unseres Miteinanders führen und Konflikten Tür und Tor öffnen.
Für Manuel Koschuch ermöglichen Technologien Verhaltensweisen, die in persönlichen Beziehungen so nicht oder nur bedingt angewendet würden: „Insofern wird Empathielosigkeit begünstigt, aber die Technik per se macht nichts aus Menschen, was nicht in ihnen drinsteckt.“ Und Sabine Schweiger sieht in der Technologisierung und im Einsatz von Maschinen in der Gesundheits- und Krankenpflege immer nur eine Ergänzung, niemals einen Ersatz für das menschliche Miteinander.
Zukunftsgespräche am 15. November 2018
Philippe Narval, Geschäftsführer des Europäischen Forum Alpbach, will Bürger*innen stärker in die Politik einbinden. Und durch echte, ernst gemeinte Kooperation die liberale Demokratie erneuern. Am 17. Mai war er Gast bei den Zukunftsgesprächen der FH Campus Wien. Gemeinsam mit Ulrike Alker, Elisabeth Steiner und Peter Grabner diskutierte er, wie aus echter Beteiligung und dem Wissen von Vielen politische Lösungen entwickelt werden können.
„Die liberale Demokratie ist in Gefahr“, sagte Philippe Narval in seiner Keynote Speech: „Wenn sie in Zeiten von Populismus und zunehmender Manipulation auf Basis von Big Data überleben soll, müssen wir die Demokratie in Europa erneuern.“ Er setzt dazu auf neue Formen der Beteiligung: echte, ernst gemeinte Kooperation zwischen Politik und Bürger*innen, die die Konfrontation nicht scheut, das Wissen vieler nutzt und daraus politische Lösungen entwickelt. Was er damit meint, erläuterte er anhand von drei konkreten Beispielen, die er bei einer Recherchereise durch Europa kennengelernt und jetzt in seinem Buch „Die freundliche Revolution“ veröffentlicht hat:
Philippe Narval will auch in Österreich mehr echte Beteiligung. Er wünscht sich mehr Lösungen, statt nur Probleme zu wälzen, mehr Wertschätzung für gute Politiker*innen, mehr Auseinandersetzung mit anderen politischen Meinungen, aber auch mehr Haltung, wenn es darum geht, liberale demokratische Werte zu schützen.
Das politische System in Österreich sei von Lösungen weit entfernt, sagt Peter Grabner in der Podiumsdiskussion: „Wer Lösungen haben will, muss lernen hinzuschauen. Das erfordert Mut und eine Kultur, die aus Fehlern lernt. An beidem müssen wir in Österreich noch arbeiten“, ist der Leiter des Masterlehrgangs Führung, Politik und Management an der FH Campus Wien überzeugt. In der politischen Auseinandersetzung sei vor allem die Konkurrenz aus den eigenen Reihen dafür verantwortlich, dass das Trennende in den Vordergrund gestellt werde, so Grabner weiter. Um Konflikte lösungsorientiert austragen zu können, müsse man über das nötige Wissen verfügen, daran mangle es jedoch weitgehend.
Für Elisabeth Steiner ist das lösungsorientierte Austragen von Konflikten auch eine Frage der Sozialisation. „Wir kommunizieren zunehmend digital, ohne physisches Gegenüber und ohne echte Konfrontation. Das müssen wir aufbrechen und damit im Kindergarten anfangen“, sagt die Leiterin des Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit an der FH Campus Wien in der Diskussion. Sie plädiert dafür, stärker beim Individuum anzusetzen und sich weniger auf die Politik zu verlassen.
„Was wir brauchen, sind Ermächtigungsräume, also Räume, in denen wir lernen, wie echte Beteiligung funktioniert“, sagt Philippe Narval und verweist auf das Schulsystem, in dem eine selbstbewusste Entwicklung der Schüleri*innen immer noch zu wenig gefördert werde. Auch Ulrike Alker sieht großes Potenzial im Schulsystem, wenn es darum geht Partizipation zu lernen: „Schulen sind oft noch sehr hierarchisch organisiert. Es gibt zu wenige Beteiligungsmöglichkeiten für Schüler*innen. In diesem Bereich muss sich noch einiges ändern“, so die Leiterin Gender & Diversity Management an der FH Campus Wien.
Echte Beteiligung stellt das Gemeinsame über das Trennende, den Kompromiss über den Konflikt. Für Philippe Narval sind daher „Kompromisse nichts Schlechtes“. Anders Peter Grabner: Er ist kein Freund von Kompromissen, weil dabei immer „etwas auf der Strecke bleibt“. Ulrike Alker will keine „faulen Kompromisse“ und Elisabeth Steiner warnt davor, „Kompromisse aus Bequemlichkeit“ einzugehen.
Die Zukunftsgespräche sind eine Veranstaltungsreihe der FH Campus Wien. Namhafte Forscher*innen und Expert*innen diskutieren zwei Mal jährlich über aktuelle Themen und künftige Herausforderungen in Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Die Zukunftsgespräche, die immer im Mai und November stattfinden, stehen jedes Jahr unter einem neuen thematischen Motto. Das Generalthema der Zukunftsgespräche in 2018 heißt „Konflikt und Kooperation“. Die nächsten Zukunftsgespräche finden am 15. November 2018 an der FH Campus Wien statt.
In der aktuellen Ausstellung „Konflikt – Konkurrenz – Kooperation“ sind die Werke von neun Künstler*innen aus sieben Nationen zu sehen. Sie wurden in einem Open Call aus mehr als 40 Einreichungen von einer Kurator*innen-Jury ausgewählt. Die Ausstellung läuft noch bis April 2019 an der FH Campus Wien.
Die Big-Data-Expertin Yvonne Hofstetter warnt bei den Zukunftsgesprächen am 23. November vor den zerstörerischen Auswirkungen der Digitalisierung à la Silicon Valley auf die Freiheit des Menschen. Und plädiert für eigene digitale Systeme und Angebote in Europa, die die Grundrechte des Menschen unmittelbar technologisch schützen.
„Wir sind dabei, unsere Welt in einen riesigen Computer zu verwandeln.“ Anschaulich erklärt Yvonne Hofstetter in ihrer Keynote, was Digitalisierung bedeutet. Digitalisierung heißt Überwachung. Daten von allem und jedem werden gesammelt, vernetzt, von lernenden Maschinen ausgewertet und daraus dann Prognosen erstellt: darüber, was uns interessiert oder wir wollen, was wir tun sollen oder nicht tun dürfen.
Das Problem dabei ist, dass wir die virtuellen Eingriffe in unser Leben oft gar nicht bemerken und künstliche Intelligenz beim Profiling generalisiert, d.h. ohne Kontext beurteilt und kategorisiert. Wohin das führen kann, erläutert Hofstetter am Beispiel „Predictive Policing“, also vorhersagender Polizeiarbeit, in Chicago. Dort kamen Bürger*innen aufgrund von algorithmischen Bewertungen ihrer Daten und ihres Onlineverhaltens auf die „Liste der 400 schlimmsten Straftäter“ der Stadt, obwohl sie noch nie ein Verbrechen begangen hatten. „Das ist Vorverurteilung durch Algorithmen und ‚clasht’ gewaltig mit unserem europäischen Rechtsverständnis und Rechtssystem“, sagt Hofstetter.
Die Technologien der Digitalisierung, deren Treiber amerikanische Konzerne wie Facebook, Google und Amazon sind, stehen im Konflikt mit unseren verfassungsmäßig garantierten, europäischen Grundrechten. Sie verstoßen u.a. gegen das Gleichheitsgebot, die Meinungsfreiheit und die Privatsphäre. „Seit wir vor 20 Jahren in Europa alle digitalen Kerntechnologien aufgegeben haben und keine Smartphones, Computer oder Software mehr produzieren, kommt alles aus dem Silicon Valley. Und mit den Produkten, die wir von dort kaufen, kaufen wir ein völlig anderes Rechtsverständnis und die „Werte“ ihrer Hersteller – Disruption, Monopol und Überwachung – mit ein“, so Hofstetter. Sie ist überzeugt, dass wir uns in Europa der Digitalisierung annehmen müssen, und plädiert für eigene digitale Strukturen und Produkte, in die wir unser europäisches Werteverständnis einbauen müssen.
Mit den Experten der FH Campus Wien Manuel Koschuch, Heimo Sandtner und Hans Tschürtz diskutiert Yvonne Hofstetter – moderiert von Ö1-Wissenschaftsjournalist Franz Zeller – über autonomes Fahren, digitale Arbeitswelten und darüber, wie eine humane digitale Zukunft aussehen kann.
Ethische Standards in der Forschung & Entwicklung sind Heimo Sandtner, Vizerektor für Forschung & Entwicklung, nicht nur in Bezug auf digitale Technologien ein wichtiges Anliegen: „Wir haben aktuell ein Ethik-Komitee an der FH gegründet, das unsere Forschungsaktivitäten in allen Departments unterstützt.“
Für Hans Tschürtz steht die Sicherheit digitaler Technologien im Vordergrund. Er forscht an der inhärenten Systemsicherheit von selbstfahrenden Schienenfahrzeugen. „Autonom fahrende Systeme müssen annähernd wie Menschen denken und sicher funktionieren. Von ihnen darf also keine Gefahr ausgehen“, so der Safety-Experte. Mit seinem Team arbeitet er an Sicherheitsmodellen, anhand derer sicherheitskritische Situationen identifiziert werden können. Anders als bei der funktionalen Sicherheit, wo mit zusätzlichen Sicherheitsfunktionen das System in den sicheren Zustand gebracht werden soll, wird bei inhärenten sicheren Systemen der Faktor Sicherheit von Anfang an in jedes Subsystem hineinentwickelt.
Einen neuen Zugang zu IT-Security-Themen wünscht sich Manuel Koschuch. Im Gegensatz zur Safety gibt es im Bereich Security kaum verpflichtende Standards in der Entwicklung, so der Experte: „Quasi jedes System kann gehackt und von außen manipuliert werden. In Wirklichkeit haben wir bisher noch nichts, was dagegen hilft.“ In Sachen autonomes Fahren sieht er – wie Yvonne Hofstetter – die Übergangsphase und den Mischbetrieb von autonom und nicht autonom fahrenden Fahrzeugen als Problem: „Der größte Unsicherheitsfaktor ist hier der Mensch selbst.“
Einig sind sich die Expert*innen, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt grundlegend verändern wird, dass bestehende Berufsfelder wegfallen und neue dazukommen werden. „Alles wird komplexer werden und wir müssen Digitalisierung künftig ganzheitlicher betrachten“, sagt Yvonne Hofstetter. „Angst vor der Technik“ muss aber niemand haben, ist Heimo Sandtner überzeugt. Wichtig ist, die Veränderung aktiv mitzugestalten. Für ihn ist Bildung der Schlüssel zu einer humanen digitalen Zukunft: „Wir müssen die jungen Leute gut darauf vorbereiten.“
„Komplexität macht Technologien und Systeme unüberschaubar und gefährlich“, sagt Hans Tschürtz und plädiert dafür, Komplexität mit entsprechenden innovativen Methoden der inhärenten Systemsicherheit zu reduzieren und dazu stärker technologieübergreifend und interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Mehr mündige Bürger*innen wünscht sich Manuel Koschuch. Und ein allgemeines Verständnis, was Technik leisten kann und was nicht. Der Weg dorthin ist auch für ihn Bildung und der Ausbau digitaler Kompetenzen.
Statements von Yvonne Hofstetter, Hans Tschürtz, Heimo Sandtner und Manuel Koschuch (Teilnehmer*innen an der Podiumsdiskussion)
Die Zukunftsgespräche werden künstlerisch von Karin Mairitsch begleitet.
Mehr zur Ausstellung
Technik allein könne menschliche Probleme nicht lösen, sagt Giovanni Maio. Auf den ersten Blick würden wir der Technik zwar gerade in der Medizin viel verdanken. Sie mache den Menschen aber auch zu einem Gefangenen des technisch Machbaren, ist der Freiburger Medizinethiker überzeugt. Warum, das erklärte er am 17. Mai bei den „Zukunftsgesprächen“ der FH Campus Wien, die der Frage nach den Grenzen des menschlichen Lebens nachgingen.
Technik sei, so Professor Maio, eine gedankliche Zugangsweise, ein Ausdruck der Werte einer Gesellschaft, das Resultat einer Sicht der Welt: „Technik verkörpert eine bestimmte Vorstellung von der Welt und verändert diese Vorstellung gleichzeitig.“
Technik mache die Welt scheinbar handhabbar, sie reduziere Komplexität und führe zu Standardisierung. Technik werde – ohne zu hinterfragen – zur Normalität, obwohl sie nur eine von vielen Handlungsmöglichkeiten sei. Die Bereitstellung von technischen Möglichkeiten sei eine Aufforderung, sie auch zu nutzen: Technik müsse angewendet werden und das verändere die Wahrnehmung der Welt. Technik entlaste, Entscheidungen müssten nicht mehr überlegt werden, sie würden dem Individuum abgenommen. Technik werde zu einem Automatismus und führe zu immer mehr Technik. Sie „entzaubere“ die Welt: Technik reduziere das Vorhandene auf das Gebrauchtwerden, die Welt habe nur mehr einen instrumentellen Wert und das verändere den Umgang mit Leben. Die Welt werde durch Technik zu einer „Bearbeitungsaufgabe“ und das Leben reduziert auf das, was man machen könne.
Giovanni Maio kommt zu dem Schluss, dass „Technik den Blick auf die Dinge verstellt“. Sie schaffe eine Distanz zum Leben. Die Frage nach den Grenzen der technischen Machbarkeit sei eine Haltungsfrage: „Es geht nicht um eine pauschale Machbarkeitskritik, sondern vielmehr darum, in einer technischen Welt durch Reflexion die Haltung zu den Dingen zu verändern und neben dem Machenkönnen auch das Annehmenkönnen zu erlernen.“ Er empfiehlt, ein kritisches Bewusstsein im Umgang mit Technik zu entwickeln, das Mögliche kritisch zu reflektieren und das Leben nicht auf seine technische Logik zu reduzieren.
Über die konkreten Auswirkungen und Grenzen eines technischen Zugangs auf das menschliche Leben diskutierten im Anschluss – moderiert von der Ö1-Wissenschaftsjournalistin Elke Ziegler – die Expert*innen der FH.
Vom Standpunkt des Biotechnologen und Zellforschers aus betrachtet seien die Grenzen des medizinisch und technisch Machbaren noch lange nicht erreicht. „Die Machbarkeit ist in vielen Dingen nicht so stark ausgeprägt, wie oft angenommen wird“, sagt Thomas Czerny. Was im Labor möglich und machbar sei, funktioniere, wenn überhaupt, oft erst Jahrzehnte später im therapeutischen Alltag, so der Forscher: „Die hohen Risiken der Techniken limitieren ihre Anwendbarkeit beträchtlich.“
„Technik ja, wenn sie hilft“, bringt es Elisabeth Haslinger-Baumann auf den Punkt. Für die Pflegewissenschaftlerin muss unbedingt geklärt sein, wer entscheidet, was hilft. Bevor Technik in der Pflege und Betreuung zum Einsatz komme, müssten in partizipativen Verfahren gemeinsam mit Betroffenen, Angehörigen und Pflegepersonal die konkreten Bedürfnisse erhoben werden: „Technische Unterstützung darf die Grenze zur Entmündigung nie überschreiten, genau so wenig wie sie als Ersatz für persönliche qualitätsvolle Zuwendung eingesetzt werden soll.“
„Wir brauchen Technik in der Medizin. In der Schmerztherapie und vielen anderen Bereichen“, sagt Franz Kolland. Für den Soziologen steht fest: „Im Zuge des Älterwerdens greifen früher oder später sowieso alle zu technischen Hilfsmitteln.“ Differenziert sieht er die Bedeutung von Technik an der Grenze, d.h. am Ende eines Lebens. Hier sei Reflexion besonders wichtig und Technik oft wenig nützlich. Das „medizinische Getöse“ sollte an diesem Punkt des Lebens reduziert werden.
Über die Grenzen des menschlichen Lebens nachzudenken, heißt für Silvia Mériaux-Kratochvila, sich auch mit den Grenzen des menschlich Erreichbaren auseinander zu setzen. Diese Grenzen seien individuell und lägen für jedeN woanders. „Als Therapeut*innen müssen wir unsere Patient*innen dazu bringen, gerne und freudvoll aktiv zu sein. Sie dürfen sich nicht allein auf die Medizin und ihre technischen Möglichkeiten verlassen, sondern selbst die eigene Gesundheit gestalten“, so die Leiterin des Departments Gesundheitswissenschaften. Technik könne dabei unterstützen, den Dialog und die Interaktion aber niemals ersetzen.
Statements von Thomas Czerny, Elisabeth Haslinger-Baumann, Franz Kolland und Silvia Mériaux-Kratochvila (Teilnehmer*innen an der Podiumsdiskussion)
Zukunftsgespräche am 17. Mai 2017
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Ethisch-moralisch betrachtet hätten wir die Pflicht, zukünftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen, sagt Monika Betzler. Und das heißt vor allem, das menschliche Tun in die richtige Richtung zu lenken, behauptet Gernot Wagner. Die Münchner Philosophin und der Harvard-Ökonom waren am 24. November zu Gast bei den ersten "Zukunftsgesprächen" der FH Campus Wien und diskutierten mit Expert*innen der FH über Möglichkeiten und Ansätze, den Klimawandel zu stoppen.
Der Menschheit stehen ökologisch, ökonomisch und sozial große Veränderungen bevor. Wachstum und Wohlstand wirken sich zunehmend negativ auf unsere Ressourcen, auf das Klima, auf Natur und Menschen aus. Wir stehen vor der Aufgabe, all unser Wissen und unsere Fähigkeiten dahingehend einzusetzen, diese negativen Auswirkungen zu stoppen.
Auch wenn wir sie nicht kennen und keine Beziehungen zu ihnen haben – die zukünftigen Generationen haben ein Anrecht auf einen lebenswerten Planeten. „Wir müssen zukünftigen Generationen allerdings nur so viel bereitstellen, dass sie ein hinreichend gutes und damit menschenwürdiges Leben führen können. Zu diesem Zweck müssen wir Mindeststandards definieren“, sagt Monika Betzler. Zu mehr seien wir nicht verpflichtet, so die Professorin für Praktische Philosophie und Ethik an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, aber das sei gar nicht so wenig.
Was philosophisch betrachtet so einfach klingen mag, ist tatsächlich viel schwerer zu lösen. Die Philosophie sage, welche Pflichten die Menschen hätten. Die empirischen Wissenschaften definierten die Mittel, die zur Umsetzung erforderlich seien, so Betzler. Entsprechende Ansätze wurden – moderiert von Ö1-Wissenschaftsjournalist Franz Zeller – im Rahmen der ersten „Zukunftsgespräche“ am 24. November an der FH Campus Wien diskutiert.
Die Grundlagen des Klimawandels sind lange bekannt. „Aber es geht nicht nur um das, was wir wissen, sondern um das, was wir nicht wissen. Es ist diese Ungewissheit, die den Klimawandel so gefährlich macht“, sagt Gernot Wagner. Für den Klimaökonom aus Harvard und Co-Autor von „Klimaschock“ sind es vor allem die Ungewissheiten, warum wir schnell handeln müssen. „Den Klimawandel zu stoppen, ist kaum mehr möglich.“ Die Kohlendioxid-Emissionen müssten rasch auf Null reduziert werden, damit wir zumindest eine Chance hätten, das Schlimmste noch zu vermeiden. Was es braucht, seien vor allem politische Impulse, die Wirtschaftskräfte umzulenken, und einen ausreichend hohen Kohlendioxid-Preis. „Der grünwählende, vegetarische Radfahrer alleine – und ja, ich selbst bin das alles – wird die Welt nicht retten“, so der Ökonom.
„Eigentlich wissen wir als Gesellschaft, was zu tun wäre, tun es aber nicht, weil es uns schwer fällt, unser Verhalten zu ändern“, bringt Günter Horniak es auf den Punkt. Als eine von vielen Möglichkeiten plädierte er in der Diskussion für Nudging, also das „Anstupsen“ in die „richtige“ Richtung, dass es Menschen erleichtert, gute Entscheidungen zu treffen ohne auf Wahlfreiheit verzichten zu müssen. Der Studiengangsleiter Public Management glaubt nicht, dass Unternehmen und Konzerne die Welt vor dem Klimawandel und dessen Auswirkungen schützen werden, sondern dass es dazu globale, politische Anstöße und Entscheidungen im Sinne des „Gemeinwohls“ geben müsse.
„Um die Welt zu retten, ist mehr Verpackung nötig“, sagt Manfred Tacker. Das klingt paradox, ist es aber nicht: „Lebensmittel verursachen 30 % des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes, Lebensmittelverpackungen 1 %. Wenn man berücksichtigt, dass in Schwellenländern 40 % der Lebensmittel verderben, weil sie nicht verpackt sind, und in Österreich 30 % der Lebensmittel weggeworfen werden, dann kann man sich ausrechnen, dass es eine schlechte Strategie wäre, auf Verpackungen zu verzichten, um das Kohlendioxid zu reduzieren“, so der Verpackungstechnologe, für den Unternehmen durchaus eine Rolle spielen, wenn es darum geht, den Klimawandel zu stoppen.
„Anders als in den vergangenen 40 oder 50 Jahren denken wir heute beim Bauen Nachhaltigkeit mit“, sagt Markus Vill. Für den Forschungskoordinator im Department Bauen und Gestalten geht es darum, robust und nachhaltig zu bauen und Werte für die nachfolgenden Generationen zu schaffen, beispielsweise indem man den Zementanteil in Beton reduziert und durch Zusatzmittel ersetzt. Zement verursacht bei der Herstellung enorm hohe Kohlendioxid-Emissionen. Die Rolle der Unternehmen im Kampf gegen den Klimawandel sieht Vill vor allem auf der menschlichen Ebene: Die Unternehmen, das seien Menschen und es gehe um deren Bewusstseinsbildung.
Von einem verändertem Bewusstsein spricht Brigitta Zierer, wenn es um die soziale Verantwortung junger Menschen geht. Sie werde aber heute anders wahrgenommen: „Die sogenannte ‚Generation What‘ will sich weniger großen Organisation anschließen, sie will selbst und unmittelbar etwas tun“, so die Sozialwissenschafterin. Das Soziale müsse im Zusammenhang mit ökologischer, ökonomischer und technologischer Nachhaltigkeit ständig mit bedacht werden. Junge Menschen müssten ermutigt werden, sich global zu orientieren, um Systeme und deren Wirkungen besser verstehen zu lernen.
Statements von Gernot Wagner und Monika Betzler (Keynotes), Manfred Tacker, Markus Vill, Brigitta Zierer und Günther Horniak (Teilnehmer*innen an der Podiumsdiskussion) und Wilhelm Behensky, Vorsitzender der Geschäftsleitung
Warum sollten uns die Interessen derer, die nach uns leben, etwas angehen? Es gibt viele Gründe zu glauben, dass wir unsere Nachwelt getrost ignorieren könnten. Wir kennen die einzelnen Menschen nicht, die uns auf diesem Planeten nachfolgen. Wir haben keine Beziehungen zu ihnen, es besteht also keine Kooperation. Zudem haben wir bereits genügend Pflichten gegenüber unseren Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Die keynote lecture gibt philosophische Antworten auf diese skeptischen Herausforderungen und zeigt auf, welche Gründe wir haben, unsere Nachwelt in unseren ethischen Überlegungen zu berücksichtigen.
Warum unternehmen wir nicht mehr, um unseren Planeten vor dem Klimawandel zu schützen? Schlimm genug, wie gefährlich die Dinge sind, über die wir bereits Bescheid wissen. Noch viel schlimmer könnten die Dinge sein, über die wir nichts wissen oder gar nichts wissen können. Dabei geht es nicht um die Wahl zwischen "Wirtschaftswachstum" und "Klima", sondern darum, unser tägliches Handeln mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen und diesen als eine Frage von Risikomanagement in einem globalen, für die gesamte Menschheit existenziellen Ausmaß zu betrachten.
Zukunftsgespräche am 24.11.2016
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Die Zukunftsgespräche werden künstlerisch von Karin Mairitsch begleitet.
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Ressourcen, die geschützt werden müssen. Systeme, die langfristig Bestand haben. Gegenwart und Zukunft.
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Welchen Beitrag können Verpackungen zur Lösung globaler Zukunftsfragen wie Klimaerwärmung, Ressourcenknappheit und Reduktion von Lebensmittelabfall leisten?