23. Oktober 2024

Campus Lecture zur Gestaltung von Haftanstalten und Resozialisierung

 

Die Architektur von Justizanstalten spielt eine zentrale Rolle bei der Resozialisierung von Insass*innen und der Aufrechterhaltung von Sicherheit. In einer Campus Lecture der Fachbereiche Risiko- und Sicherheitsmanagement sowie Architektur – Green Building präsentierten internationale Expert*innen innovative Konzepte, wie moderne Gefängnisinfrastruktur den Haftalltag humaner und rehabilitativer gestalten kann.

In einem Lehrsaal, vorne steht der Vortragende

Heterogene Haftanstalten in Österreich – Herausforderung für Modernisierung

Die 24 österreichischen Haftanstalten in Österreich unterscheiden sich baulich und technisch stark voneinander, was die Umsetzung einheitlicher Modernisierungsstandards erschwert. Besonders im Hinblick auf die Resozialisierung von Gefangenen sind innovative bauliche Konzepte notwendig, um den Bedürfnissen der unterschiedlichen Nutzer*innen gerecht zu werden. Da nahezu alle Insass*innen am Ende ihrer Haftstrafe entlassen werden, sind Maßnahmen, die ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft fördern, von großer Bedeutung. Internationale Promising-Practice-Beispiele aus dem europäischen und insbesondere dem norwegischen Strafvollzug, die sich mit der Gestaltung von Gefängnissen und Resozialisierungskonzepten beschäftigen, können eine wertvolle Orientierung bieten. Jan-Erik Sandlie (Norwegian Correctional Service) und Tony McDonnell (EuroPris) präsentierten in einer Campus Lecture zum Thema „Auswirkungen von Gefängnisinfrastruktur auf Sicherheit“ ihre Expertise zur Resozialisierung in Haftanstalten aus baulicher Sicht.

Norwegisches Modell: Normalität als Schlüssel zur Resozialisierung

Jan-Erik Sandlie zeigte in seinem Vortrag auf, wie Norwegen die Reintegration der Insass*innen als zentrales Vollzugsziel in den Vordergrund rückt. In Norwegen wird der Gefängnisalltag bewusst dem Leben außerhalb der Anstalt angeglichen. Insass*innen erhalten geregelte Tagesabläufe, die verschiedene Lebensbereiche, darunter Arbeit, Bildung und Freizeit, umfassen. Außerdem soll die Gefängnisarchitektur Formen von Beziehungsarbeit zwischen Justizpersonal und Insass*innen ermöglichen. Zentral ist dabei das Prinzip der „dynamischen Sicherheit“: Durch den intensiven Kontakt zwischen Justizpersonal und Gefangenen können Konflikte frühzeitig erkannt und abgefangen und dadurch Resozialisierungsprozesse gefördert werden. Als Vorzeigeprojekt präsentierte Sandlie das Halden Prison, das durch seine humanitäre Architektur weltweit Anerkennung findet, und sich auf vier Säulen stützt: Humanität, Normalität, Dynamische Sicherheit und Reintegration.

Evidenzbasierte Ansätze aus Europa

Im Anschluss folgte ein Vortrag von Tony McDonnell, Mitglied der European Organisation of Prison and Correctional Services (EuroPris). McDonnell betonte in seinem Vortrag, wie sich ein evidenzbasiertes Design von Haftanstalten positiv auf das psychische sowie physische Wohlbefinden der Insass*innen auswirken kann: Die Größe und Gebäudeform von Gefängnissen, die Schaffung von Privatsphäre, der Zugang zu Grünflächen und adäquate Licht- und Luftverhältnisse können unter anderem die Rehabilitation der Insass*innen fördern und in weiterer Folge Straftaten verringern.

 Forschung liefert Lösungen für effizienteren Strafvollzug

Auch Forscher*innen der FH Campus Wien haben sich im Projekt „ESBH – Effiziente, sichere und bauliche Haftgestaltung in Justizanstalten in Österreich“ mit den baulich-technischen Standards von Haftanstalten in Österreich auseinandergesetzt. Dabei entwickelte ein interdisziplinäres Team Empfehlungen für Standards, um den Strafvollzug in Zukunft noch effizienter und bedürfnisgerechter gestalten zu können. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Justiz (BMJ), dem Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck (IRKS), dem Ziviltechnikbüro App informatics ZT GmbH (Ai) und der Firma Linienreich Generalplanung & Projektmanagement GmbH umgesetzt und durch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und das Bundesministerium für Inneres (BMI) unterstützt.

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